Gestensteuerung war bereits vor vielen Jahren die Idee kreativer Science-Fiction-Autoren. Wo man bereits in Filmen mit Leichtigkeit digitale Welten an transparenten Bildschirmen oder mit Hologrammen steuern und bearbeiten kann, ist man in der realen Welt noch an Maus und Tastatur gebunden. Spannend wurde es aber mit den ersten Versuchen von Herstellern sich von der gewohnten Steuerung eines Spiels zu lösen und innovativere Bedienmöglichkeiten langsam aber stetig den Spielemarkt eroberten.

Im Rahmen unserer Projektmanagement-Vorlesungen im zweiten Semester durfte sich meine Gruppe mit dem neuesten Produkt der Videospiel-Branche auseinandersetzen: der „Kinect“ für Microsofts Xbox 360. Eine RGB-Kamera und ein Tiefensensor (bestehend aus einer Infrarot-Sende-und -Empfangseinheit) sorgen hierbei für maximalen Spielspaß – wie ist Microsoft aber an diesen Punkt gelangt?

Erste Gehversuche unternahm Sony im Jahr 2003 mit der „EyeToy“, einer Kamera für die PlayStation 2, sowie deren Nachfolger „PlayStation Eye“ für die PlayStation 3. Die einfachen Kameras mit einem vergleichsweise unförmigen Gehäuse konnten bereits damals die Bewegungen des Spielers in das Spiel integrieren und erlaubten eine rudimentäre Steuerung ohne Controller.
Einen anderen Weg gingen Nintendo mit der „Wii“ und Sony mit dem Controller „PlayStation Move“ für die PlayStation 3: Hatte man früher vor allem seine Daumenmuskeln mit andauerndem Daddeln auf Pfeil-, A- und B-Tasten und den PlayStation-Controllern trainiert, merken langjährige Konsolen-Spieler dank der neuen Bedienkonzepte der Wii und der PlayStation Move, dass auch andere Muskeln im Rest ihres Körpers zum Spielerfolg führen können. Wegen der Lage- und Beschleunigungssensoren der Wii- und PlayStation „Move Motion“-Controller ist ein Nutzer aber wortwörtlich an diese Controller gebunden – denn alleine die Kamera der Playstation 3 oder die flache Infrarot-„Sensorleiste“ der Nintendo Wii ermöglichen kein controllerfreies Spielen.

Microsofts Kinect geht hier andere Wege: Während die Kameras im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurden, hat man der Kinect erstmals ein Tiefensensor in die Kameraeinheit integriert. Dieser erlaubt in Kombination mit dem RGB-Bild erstmals die Berechnung eines dreidimensionalen Abbilds der Umgebung, die Xbox360 kann mit diesen Daten Personen und ihre Bewegungen erkennen und an das Spiel weiterreichen.

Warum ist die Zweckentfremdung der Kinect überhaupt so reizvoll? Vergleichbare Systeme gibt es doch bereits in Forschungseinrichtungen und Universitäten? Hier kann die Kinect in drei wesentlichen Merkmalen punkten: Dank der Kosten im unteren dreistelligen Bereich ist sie für Privatanwender erschwinglich, nimmt wegen ihrer kleinen Bauweise kaum Platz weg und kann mit ihrem USB-Stecker (mit zusätzlicher 12V-Stromversorgung) auch mit einem Computer verbunden werden. Dank der Neugierde privater Entwickler dauerte es nur drei Tage nach Markteinführung in Nordamerika, bis der erste ein Video veröffentlichte und erfolgreich demonstrierte, dass Daten des Beschleunigungssensors auslesbar und der Motor der Kinect steuerbar waren. Aus diesen ersten „Hacks“ sind bereits im Einführungsmonat Open-Source-Frameworks entstanden, die seitdem von einer großen Community begleitet und weiterentwickelt werden. Microsoft hat nach anfänglicher Skepsis den Trend und das Potential erkannt und möchte Forschern sowie Privat-Entwicklern eine Kinect-SDK für Windows bereitstellen, die laut Microsoft den bisherigen Funktionsumfang der Frameworks deutlich übersteigen soll.

Wir dürfen über die weitere Entwicklung gespannt sein und haben mit unserer Projektarbeit den Weg für weitere interessante Kinect-Projekte geebnet.

Der Warnhinweis am Rande: Microsofts Kinect hat weder etwas mit den Kinetic-Spielen für die EyeToy, noch mit der „Kinetic“-iPhone-App zu tun. Etwaige Namensverwechslungen waren Aufgabe der Dozenten und wurden von uns gekonnt überhört.

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