1. Die Diesmal-beginne-ich-rechtzeitig-Phase

Am Anfang der Planung sind wir Studenten ziemlich optimistisch. Immerhin besteht die Aussicht, dass man wenigstens dieses Mal auf sinnvolle und systematische Weise arbeitet. Obwohl ich um keinen Preis der Welt bereit bin, gleich an die Arbeit zu gehen (schließlich ist doch erst April und man hat bis November Zeit!), rechne ich in dieser Phase fest damit, dass der Arbeitswahn irgendwann spontan über mich kommt. Bald.

2. Die Ich-werde-gleich-was-tun-Phase

Der Zeitpunkt für einen wirklich frühzeitigen Beginn ist nun verstrichen. Die Illusion, diesmal ein perfektes Timing hinzukriegen schwindet. Parallel dazu wird der Druck anzufangen intensiver. Aber die Deadline ist noch nicht in Sicht. Gleich geht’s los.

3. Die Was-soll-ich-nur-tun-wenn-ich-jetzt-nichts-tue-Phase

Während die Zeit ungenutzt dahinzieht (oder man 1000 andere Dinge hat, die man erledigen müsste, wie beispielsweise alle bisherigen Folgen von How I Met Your Mother sehen), hat sich die Frage eines rechtzeitigen Beginns endgültig erledigt. Diese Hoffnung ist dahin – dafür kommen Visionen. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn die Projektarbeit über Nacht abgeblasen oder – noch besser – verschoben würde, ohne dass irgendwer gemerkt hätte, dass ich sowieso nicht zu Potte gekommen bin. Ich beruhige mich also mit der Vorstellung, in mörderischen Nachtschichten alles bisher Versäumte nachzuholen – demnächst! Ich beginne, komplizierte Ausreden-Logistik zu entwickeln, wieso ich diesen freien Tag nicht genutzt habe um endlich mal anzufangen. Trotzdem: Noch könnte ich die Vorbereitung ja termingerecht abschließen.

4. Die Ich-tue-jetzt-was-anderes-Phase

Fast alle Studenten beginnen in diesem Stadium mit hektischen Aktivitäten, die alles Mögliche betreffen, nur nicht die Vorbereitung. Sie setzen alle ihre angesammelten Kräfte daran, den Schreibtisch endlich vollständig zu säubern. Sie nehmen sich längst abgelegter Arbeiten an. Sie füllen ihre Zeit mit Dingen, die ihnen wirklich unangenehm sind – bloß, um die Prüfungsvorbereitungen zu verdrängen. Aber in diesem Stadium scheint einfach alles angenehmer, als sich endlich mal mit dem Projektarbeitsthema auseinanderzusetzen.

5. Die Ich-hab‘-auch-ein-Recht-auf-Freizeit-Phase

Mein Emotionshaushalt ist nun äußerst fragil. Einerseits ist es mir gelungen, mich selbst zu belügen. Andererseits wachsen die Schwierigkeiten bezüglich des Praxisteils der Arbeit mit jeder Stunde. In dieser Phase neigt der Student zu tollkühnem Eskapismus: Angesichts all der Anforderungen, die an ihn gestellt werden, manifestiert sich nun das Gefühl, mindestens einmal ein Recht auf Freizeit und Vergnügen zu haben. Die Projektarbeit, redet er sich ein, ist bloß ein Klacks, wenn er sich vorher erstmal was gönnen kann. Ich fahre also erst mal nach Hause, in den Urlaub, gehe ins Kino oder tue sonst irgendwas um mir selbst zu zeigen, dass ich diese Phase der Erholung dringend nötig habe.

6. Die Es-ist-immer-noch-etwas-Zeit-Phase

Obwohl ich mich nach diesen Vergnügungen schuldig fühle, und obwohl mir der Boden jetzt jeden Moment unter den Füßen wegzubrechen droht, setze ich immer noch auf Zeit. Er ist allerdings sicher, dass ich demnächst in einen geradezu tierischen Arbeitsrausch verfallen werde. Jetzt konzentriere ich mich aber
darauf, meinem wissenschaftlichen Betreuer Zwischenergebnisse vorzutäuschen. „Ja ja, ich bin mittendrin …“ ist in dieser Phase mein Standardsatz. Nebenfronten werden eröffnet. „Ich bin gerade auf einen interessanten Aspekt gestoßen … !“, versuch ich meinem Chef weiszumachen.

7. Die Mit-mir-stimmt-etwas-nicht-Phase

Gleichzeitig plumpse ich jetzt aber in tiefe Depressionen. Die Abgabefrist ist zum Greifen nahe – aber ich habe kaum ein Drittel der geforderten Seitenanzahl geschrieben. Selbstvorwürfe und Selbstzweifel holen mich ein. Ich bin überzeugt, dass mir einfach fehlt, was alle anderen aufweisen können: Disziplin, Mut, Grips! Oder einfach eine Form von Organisation!

8. Der Showdown – Die panische Phase

An diesem Punkt muss ich meine Entscheidung treffen: Das sinkende Schiff verlassen oder bis zum Ende durchhalten? Der Druck ist so groß, dass ich es nicht mehr aushalte, auch nur eine einzige weitere Sekunde auf Kosten der Projektarbeit zu verlieren. Sämtliche Fremdeinflüsse werden ausgeschaltet. Ich habe keine Zeit mehr für ausgiebige Badesessions, vergesse zu essen, meine Freunde und sogar manchmal, aufs Klo zu gehen … ohne Wenn und Aber werfe ich mich jetzt in die Schlacht. Energiehormone werden in Extradosierungen ausgeschüttet. Die Arbeit geht voran, Seite um Seite. Die Gewissheit, die Projektarbeit doch noch durchstehen zu können, ist da. Sie ist schwieriger als gedacht und schmerzhaft – dennoch gerate ich nun in die euphorische Phase. Es ist genau dieser Rausch, den ich eigentlich die ganze Zeit gesucht habe. Das Gefühl, es gerade noch einmal zu schaffen. Dazu das Bewusstsein, in Besitz von Riesenkräften zu sein: Seht, das Ergebnis ist gar nicht so schlecht! Es hätte viel schlimmer kommen können! Erst recht, wenn man bedenkt, dass keine Zeit mehr war. Ein anderer hätte das in der vorgegebenen Zeit auch nicht besser hingekriegt!

(Ich möchte anmerken, dass dieser Text natürlich nicht auf wahrer Begebenheit beruht. Ich schreibe zwar im Moment gerade meine Projektarbeit, die Abgabefrist ist keine zwei Wochen mehr entfernt, aber ich habe offensichtlich genug Zeit, diesen Blogeintrag zu schreiben … das spricht doch für sich, oder?)

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