Füße hoch! Langsam fließt der Inhalt des ausgekippten Biers in meine Richtung.Im letzten Moment hebe ich die Beine an, um meine neuen Schuhe vor der klebrigen, stinkenden Flüssigkeit zu retten. Der S-Bahn-Fahrer bittet die Vierergruppe von ca. 30-Jährigen per Durchsage, ihre Sauerei aufzuwischen – keine Reaktion. Mit hochgezogenen Augenbrauen schauen ein weiterer Passagier und ich uns an. Und da heißt es immer, Jugendliche hätten kein Benehmen. Wenigstens war die Bahn pünktlich, das ist immerhin etwas, wo sie doch nur einmal in der Stunde von Mosbach aus abfährt. Am Zielbahnhof angekommen warte ich auf den Bus, der mich in mein Dorf bringt. Ich begrüße den Busfahrer mit einem freundlichen „Hallo“ und er lächelt mich an. Den kenne ich jetzt ja auch schon seit zehn Jahren. Da kommt mir ein Gedanke – wie viel Lebenszeit habe ich wohl bisher durch das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht? Eindeutig zu viel. Aber ist die Autofahrt nach Mosbach/Stuttgart aktuell eine Alternative? Nein, absolut nicht. Also habe ich nur die Möglichkeit, das Beste aus den Fahrten zu machen. Wenn man nicht gerade von fremden Leuten angestarrt wird, belästigt wird oder droht, an deren Schweißgeruch zu ersticken (Gasmasken für die öffentlichen Verkehrsmittel sind definitiv eine Marktlücke) kann Bahnfahren auch eine gute Möglichkeit sein, Dinge zu tun, für die man sich sonst keine Zeit nimmt. Kaum ein dualer Student hat wohl die Zeit, abends zu Hause ein Buch zu lesen. Auch eine Handheld-Konsole wie den Nintendo DS kann ich als Unterhaltungsmedium sehr empfehlen. Skeptische Blicke bekomme ich hin und wieder zugeworfen, aber dennoch bin ich wohl einer der wenigen „normalen“ Passagiere. Und falls sich mal wieder Leute auf einer Lautstärke unterhalten, die an das Durchsagen-Niveau herankommt, stecke ich mir meine Kopfhörer ins Ohr und hoffe, dass die Gitarren lauter als das Gequatsche sind. Toll finde ich auch die Leute, die den Sitz neben sich in einer komplett überfüllten S-Bahn mit ihrem Rucksack oder ihrer Tasche belegen. Natürlich, ich sitze auch am liebsten alleine, aber Rücksicht auf Mitreisende ist vielleicht nicht verkehrt.

Aber jetzt mal weg von den ganzen negativen Vibes am Beispiel einer besseren Geschichte. Erst letztlich wurde mir mein Tag von einem jungen Schüler versüßt, der sich aufgrund des Platzmangels neben mich setzte. Ich saß da, in meinen Comic vertieft, und bemerkte im Blickwinkel, dass er sich wohl auch für meinen Comic interessierte.  „Was ist das für ein Comic? Darf ich auch mal?“ fragte er mich plötzlich, woraufhin ich ihm das Comic gab. Ein paar Stationen später gab mir der Junge meinen Comic zurück und schenkte mir zum Abschied eines dieser coolen Klebe-Tattoos, die es anscheinend wohl immer noch in diesen Kaugummipackungen gibt.

Wie gesagt, es ist nicht alles schlecht an öffentlichen Verkehrsmitteln.

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